Warum es niemals nur um Marken, sondern um viel Mehr geht.

Marke. Was ist der Wert von 20 Jahren? Für eine Marke sind 20 Jahre nichts. Die großen Markenbeispiele, die wir immer wieder gerne in unseren Präsentationen zum Thema vorstellen, wie Hilti, Würth, Kuka – sie alle haben die 50 Jahre-Grenze schon lange überschritten. Sie sind nicht zu unrecht Traditionsmarken – man schwört auf sie, weil sie sich im Verlauf immer unsteter werdender Zeiten treu geblieben sind.

Das „Tradition“ in Traditionsmarken bezieht sich nicht zuletzt darauf, dass man Markenwerte und Kern, Haltung und Persönlichkeit ritualisiert hat. Man ist, wie man schon immer war. Und man versucht so zu bleiben. „So sind wir eben“ – ein Satz, den man bei vielen Traditionsmarken hört, wenn man sich mit dem Management über die Besonderheiten des Unternehmens unterhält.

Aber wie ist das bei Agenturen, oder gar Agenturmarken. Ja, natürlich gibt es die. Jung von Matt, Ogilvy, BBDO, Grey – alles Marken, die mit den großen Konsumgütermarken gewachsen sind, die alle eine Strahlkraft besitzen, die heute vielleicht nicht mehr ganz so anziehend wirkt, wie in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren, als Werbung noch cool war. Auch wenn der Glanz verblichen ist, die großen Agenturmarken leuchten immer noch. Nur heute etwas anders.

Wenn ich 20 Jahre zurückdenke, frage ich mich manchmal, welche Art von Marke den größeren Einfluss auf die Geburtsstunde von PSV Marketing hatte. Waren es die großen, leuchtenden Agenturmarken? Oder doch die tradierten Unternehmen, von denen es nicht gerade wenige in Südwestfalen gibt? Aus der Position heute, mit dem unermesslichen Erfahrungsschatz von 20 Jahren Wandel, den man in und um eine Agentur in Südwestfalen erlebt, würde ich sagen, dass das Beste beider Welten uns irgendwie zu dem gemacht hat, was wir heute sind.

MARKE: GEMEINSAM AN IDEEN GLAUBEN

Vor 20 Jahren? Das war die Zeit, als man Layouts noch nicht am Computer zusammenbaute, sondern mühsam mit Papierklebern auf die Pappe brachte. Es war eine Zeit, in der der Glaube an eine Idee wichtiger war als das konkrete Ergebnis – weil man in der Präsentationsphase noch nichts Konkretes zeigen konnte.

Marke. Das war technisch nicht möglich – kein Powerpoint, kein Digitalprint, kein Google für die Bildauswahl. Man brauchte Phantasie, um kreativ zu sein. Und auf Kundenseite Toleranz, um zu verstehen, worum es ging. Und wie gesagt: beide Seiten mussten an die Idee glauben, um zu überzeugen.

Es war eine Zeit, in der insbesondere die Kunden aus der Industrie immer etwas argwöhnisch auf uns Werbeleute blickten. Werbeleute? Das sind die „Kreativen“, die Paradiesvögel, die etwas Entrückten, die, die bis 10 Uhr ausschlafen, das bunte Sakko eigenwillig mit Turnschuhen kombinieren, immer ein bisschen bekloppt.

„So sind die eben!“
Menschen, die in den Augen der Industrie gar keine Ahnung von den komplexen technischen Produkten hatten, die in den schmutzigen Fertigungshallen hergestellt wurden. Das sind aber auch die Menschen, die etwas frische Luft in die trockene, angestaubte Kommunikation bringen sollten.

Machen Sie mal was Kreatives! Sie können das doch!?

Es war genau die Zeit, in der ich mich entschied, genau das nicht zu machen. Genau das nicht zu sein. Werber. Verstehen Sie mich nicht falsch – natürlich waren wir seinerzeit kreativ. Natürlich sind wir das auch heute noch. Aber das Besondere an „richtiger“ Kommunikation ist ja nicht die Kreativität, sondern die Strategie, aus der eben jene Kreativität entwächst. Und noch wichtiger: Der Glaube an die Kraft der eigenen Idee, der Leistung, der Haltung, der Marke.

Marke? Was soll das bringen?

Vor 20 Jahren, das war eine Zeit, in der wir viel kämpfen mussten. Weil die damaligen Auftraggeber eine Agentur nicht als strategische Beratung anforderten, sondern als Ideengeber. Für etwas Verrücktes, etwas Marktschreierisches, etwas, das lauthals auffällt in einem Markt, der zusehends austauschbarer wurde.

Und dann kamen wir, und sagten:
„Warum wollen Sie denn was Kreatives haben? Was soll Ihnen das denn bringen? Wollen Sie Kirmes machen?“ Die Frage war Provokation und Revolution zugleich. Marke.

Denn es war ja sowieso schon etwas besonderes, wenn die tradierten Unternehmen aus dem Sauerland, unserem damaligen Zuhause, sich eine Agentur ins Haus holten. Nur taten sie das nicht etwa, um die Marke strategisch aufzubauen, sondern meistens, um ein bisschen Wind zu machen. Ohne jedoch genau zu wissen, was damit eigentlich erreicht werden sollte. Hauptsache, es fällt auf, das neue Logo, hauptsache sie sieht „geil“ aus, die neue Broschüre. Es ging nicht um den Glauben an die Leistung, an die Kraft des Unternehmens, an die Marke. Es ging um Dekoration.

„Warum wollen Sie das tun? Was soll Ihnen das bringen?“
Ich weiß gar nicht, wie häufig ich damals wirklich erschüttert angeschaut wurde, von den Inhabern, den Geschäftsführern, den Vertriebsleitern – Marketingverantwortliche gab es zu der Zeit noch nicht im Mittelstand und noch weniger in der Industrie. Marketing, das war Voodoo, unheimliches Zauberzeug, irgendwas, womit die großen Konsumgütermarken Geld machten.

Maschinenbau ist kein Voodoo, das ist was Handfestes, da braucht man kein Marketing. Stellen Sie sich also vor, dass da einer wie ich vor 20 Jahren in der Vorstandsetage steht, einer, der noch nicht mal aus dem Sauerland stammt, der von dem Werbezirkus erstmal nichts hält, und sich dann weigert, die drei Entwürfe für das neue Logo zu präsentieren. Ich tat das nicht grundlos, und auch nicht, weil ich per se gerne widerspreche.

Ich tat das, weil ich mehr für die Unternehmen wollte.

Es schien uns doch irgendwie logisch, dass ein Unternehmen mit einer gewissen Tradition, einer gewissen Reputation, einem gewissen Standing, nicht einfach mal eben bunte Broschüren machen kann, um die Marke zu revitalisieren oder um mit Vorurteilen zu brechen. Es musste doch den Ingenieuren und Ökonomen irgendwie auch logisch erscheinen, dass man vielleicht erstmal überlegen muss, was man sagen will, bevor man über das „wie“ nachdenkt. Man baut Maschinen ja auch nicht einfach so. Es sollte auch klar sein, dass man immer erstmal überlegen sollte, warum man eigentlich etwas machen will. Nur nannten wir das damals noch nicht Markenführung. Wir nannten es Haltung. Marke.

Die Menschen machen den Unterschied in der B2B Markenführung.

Markenführung. Es bringt ja nichts, wenn ich Angebote großspurig bewerbe, die niemanden interessieren – nur weil ich glaube, dass laute, bunte, grelle, pfiffige oder mit sonst irgendeinem Adjektiv belegte Werbung vielleicht Interesse weckt. Wenn meine Marke keinen klaren Fokus hat, und meine Zielgruppen sowieso nicht so genau wissen, für welche Spitzenleistung ich eigentlich stehe, beziehungsweise manchmal auch nicht stehe, dann kann ich noch so toll posaunen – ich stoße auf Ignoranz, schnelles Vergessen und manchmal sogar regelrechte Ablehnung. Das galt damals genau so wie heute. Nur wissen wir heute mehr! Zum Glück. Die Kämpfe sind etwas milder geworden. Und manchmal gar nicht mehr nötig.

Ich finde es gut, dass sich das Wissen über den wahren Wert der Marke, des Kerns, der Werte, in den letzten 20 Jahren verbreitet hat. Wenn auch schleppend. Aber es freut mich, dass sich immer mehr Unternehmen, eben auch Mittelständler, Industrieunternehmen mit hochkomplexen Produkten, Dienstleister, Ingenieure, Ökonomen dieser Tatsachen bewusst werden. Dass sie die Gemeinsamkeiten zu den großen Marken sehen. Und die Unterschiede. Die Besonderheiten. Ich sehe sie auf jeden Fall. Und ich bin kein Ingenieur, kein Ökonom. Ich komme aus der Soziologie. Aber das ist eine andere Geschichte.

Markenführung: Mittelstand und Markenidentität

Ich kann mich sehr gut erinnern, dass wir vor ca. 15 Jahren angefangen haben, dem Kind einen Namen zu geben: „Markenführung“. Wir waren früh damit. Vielleicht ein bisschen zu früh. In der Region sowieso. Marketing war ja in der Provinz, im Mittelstand, in der Industrie noch gar nicht richtig angekommen. Und wir sprachen da schon von Markenidentität, von Visionen, von Werten, von Haltung. Obwohl wir als Agentur eingeladen waren, um etwas neu zu gestalten. Der Umsetzer, der Werber, der Kreative, der Verrückte erklärt dem Manager, dass es um mehr geht als ein buntes Logo. Stellen Sie sich diese Diskussionen und Kämpfe vor, die wir damals ausgefochten haben. Es mag überspitzt klingen, aber ja, es war tatsächlich auch brutale Missionsarbeit – und mir schmeichelt es zu wissen, dass wir aus einigen unserer Kunden in diesen 20 Jahren wahre Fans der Marke gemacht haben. Dass wir sie angesteckt haben, mit dem, was uns am Thema begeistert hat. Gerade weil wir gemeinsam viele Missverständnisse aus dem Weg räumen konnten. Gerade weil wir dafür gekämpft haben, dass unsere Kunden das Geld nicht in Werbung verbrennen. Sondern in Marke investieren!

Eine typische Diskussion drehte sich immer um das Thema B2C. In jedem Meeting zum Thema Marke sprang mindestens einmal ein Ingenieur auf, um seinen Unmut zu äußern, dass man das alles nicht in einen Topf werfen könne – B2B, B2C, Marke, Werbung. Die Diskussion um die Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Marken war immer hitzig.

Und jedes mal gleich. Nicht grundlos. Es gab ja kaum B2B-Beispiele. Wir erklärten Marke anhand der Beispiele, die wir aus dem Wälzer „Strategie und Technik der Markenführung“ von Prof. Dr. Esch kannten. Damals in der 1. Auflage. Heute in der 7. Das ist 20 Jahre her. Es gab damals bis auf diese „Bibel“ keine praktikable Literatur zum Thema Marke. Und erst recht keine zum Thema Markenführung im B2B.

Wir mussten also den Maschinenbauern des Sauerlandes anhand von Audi, BMW, Krombacher und Milka erklären, dass es um Assoziationen geht, die der Kunde hat. Oder nicht hat. Und dass die Assoziationen zu seinen Werten passen. Oder eben nicht. Und dann sprang immer jemand auf, und sagte: „Das ist bei uns nicht so, das ist anders, wir verkaufen ja keine Schokolade und kein Bier, wir verkaufen Maschinen. Da sind Emotionen fehl am Platze.“ Im Verlauf dieser Diskussionen und im Verlauf dieser 20 Jahre, ist mir eine Sache sehr klar geworden. Eine Sache, die ich heute als die Besonderheit unserer Arbeit, die Besonderheit unserer Kunden, die Besonderheit unserer Marke sehe.

Markenführung: Mir ist klar geworden, dass es im B2B immer um Menschen geht.

Dass die Marke eben nicht nur vom Produkt kommt, sondern vom Unternehmen – von seiner Identität, seiner Haltung, seinen Werten. Vom Verhalten. Das stand nicht bei Esch, Professor für Markenführung. Das dachten wir uns so – wir machten den Übertrag. Weil Maschinen nun mal keine Schokoladen sind. Und weil nicht die Werbung, sondern die Menschen die Maschine verkaufen. Und weil wir mit Menschen darüber diskutierten, wofür ihre Unternehmen, ihre Marken stehen. Oder nicht stehen.

Menschen – sie sind der der große Unterschied zwischen B2B und B2C. Ich kann im B2C eine Marke künstlich aufladen, kann über Produkte und Werbung am Reißbrett erdachte Werte und Haltungen vermitteln. Aber ob die Mitarbeiter, die für Milka zuständig sind, diese Haltung teilen, ist im Kühlregal des Supermarktes, im heimischen Kühlschrank und in den gierigen Kinderhänden völlig unerheblich. Eine Maschine wiederum wird von Menschen gebraucht, erdacht, gebaut, verkauft, benutzt, bedient, gewartet. Menschen wollen mit dieser Maschine Höchstleistungen erzielen – was in sich völlig absurd scheint. Und gerne vergessen wird.

Technik soll das arbeiten erleichtern. Den Menschen. Das gilt dann nicht nur für Maschinen und deren Technik, sondern auch für Markentechnik. Das ist das Wesen der B2B Markenführung, der Technologiemarken. Dass es um Menschen geht, die sich in ihrer Geschäftsbeziehung dabei helfen, einfacher zu arbeiten, besser zu werden, mehr zu leisten, mehr zu erreichen. Und ja, mehr zu verdienen. Das kann kein Auto, das kann keine Schokolade, das kann kein Bier!

Heute, 20 Jahre später, ist die Erkenntnis über B2B-Marken im Markt gereift. Und auch wenn Werbung und Kommunikation heute komplexer denn je sind, weil wir jede Woche mindestens einem neuen Marketingtrend, einem neuen Kanal, einer neuen Werbemöglichkeit hinterherhecheln, ist das Wesentliche doch gleich geblieben. Menschen schreiben heute keine Briefe mehr, sondern Mails. Aber es ist immer noch die Haltung, das „wie“ und „warum“ ihrer Kommunikation, das entweder anziehend oder abstoßend wirkt. Das man entweder wertschätzen oder ignorieren kann.

Und wenn Marketingverantwortliche heute bei den Begriffen Social Media, Employer Branding oder Lead Management in Panik geraten, weil sie nicht genau wissen, warum und wie sie das machen sollen, stellen wir uns wie damals auf die Hinterbeine. Jedoch nicht, um das alles zu boykottieren und zum Umdenken aufzurufen – so wie wir es vor 20 Jahren noch in dieser gewissen Sturm- und Drangphase gemacht haben. Sondern um Ruhe, Sicherheit und Gewissheit in das Chaos zu bringen. Weil wir mehr wissen. Weil wir wissen, dass all dem internen und externen Wandel, wesentliche Konstanten den Erfolg bringen: der Mensch, seine Haltung, seine Werte, seine Identität. Sie bringen Ruhe, Sicherheit, Gelassenheit und Vertrauen. Und dass es bei allen Umbrüchen eigentlich nur diese eine Sache gibt, die man sich immer vor Augen halten muss, um weiter zu kommen: Menschen machen die Marke! Wenn man das weiß, weiß man auch, wie man kommunizieren muss, um anziehend zu sein. Egal in welchem Kanal.

Wenn Sie mich heute, 20 Jahre nach unserem Start, fragen, was PSV Marketing zur Marke macht, und was wir überhaupt für eine Marke sind, dann kann ich das sehr genau beantworten. Wir sind keine Agenturmarke – auch wenn unsere Kunden und Wettbewerber das so sehen. Agenturmarken denken kurzfristig, in Kampagnen, in Produktlebenszyklen. Das ist gut, das ist richtig, das ist wichtig. Aber nicht für den Mittelstand, nicht für die Industrie, nicht fürs B2B und erst recht nicht für Südwestfalen.

Markenführung: Wir sind eine Traditionsmarke.

Wenn auch eine junge. Weil wir uns zum einen in 20 Jahren Geschichte trotz aller Umzüge, Umbrüche und Expansionen die Tradition bewahrt haben, jeden Auftrag zu hinterfragen. Genau hinzuhören, was unsere Kunden tatsächlich wollen. Wir sind eine Traditionsmarke, weil wir uns immer noch als erstes für die Identität, die Haltung, die Werte unserer Kunden interessieren. Wir sind eine Traditionsmarke, weil wir mit diesem Wissen etwas langfristiges Aufbauen wollen. Sie können das Erfolg, Reputation oder Marktstellung nennen. Oder sogar Marke.

Wir allerdings nennen es „Beziehungen“. Weil am Ende des Tages die Beziehung zwischen Menschen die B2B-Marke ausmacht. Das sehe ich bei unseren Kunden, das sehe ich bei uns. Das ist das, was uns seit 20 Jahren antreibt. Und das ist die Tradition, die wir uns auch in den nächsten Jahren bewahren wollen. Denn Menschen machen Marke, nicht umgekehrt. Und PSV Marketing ist in meinen Augen irgendwie immer dazwischen. Als Vermittler zwischen Menschen und Marken. Markenführung.