Aus PR-Perspektive: Was Ernst Prost verkennt, wenn er die Backen aufbläst

Ein Kommentar von Benni Bender

Sehr geehrte Kund*innen, geschätzte Partner*innen,

für viele Journalist*innen, PR-Berater*innen und Texter*innen, die ihr täglich Brot mit geschriebenem Wort machen, ist öffentliche Wirksamkeit von grundlegender, wenn nicht von grundlegendster Bedeutung. Ob Zuspruch, Empörung oder Quittierung: Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, gilt Text ungeachtet seiner Gesamtbeschaffenheit meist nur dann als gelungen, wenn er Aufmerksamkeit erregt, die Leute abholt oder mehr noch: diesen Leuten aus der Seele spricht.

Als wir gestern einen Kommentar von Ernst Prost geteilt haben, in dem dieser gegen „Experten und unsere Politiker“ zum Rundumschlag ausholt, musste sich der LIQUI MOLY-Chef der Resonanz, die er hiermit erwirken würde, ziemlich sicher sein. Bei uns jedenfalls ist eine lebendige Debatte entstanden, die ich aus PR-Sicht einfach aufgreifen und an dieser Stelle fortsetzen möchte. Sofern man denn – also aus PR-Sicht – will, könnte man dem gebürtigen Altöttinger sogar zugute halten, den starken Steuermann in Krisenzeiten zu geben, koexistierende „Schlaumeier-Firmen“ zu kompromittieren und alle, die sich darum befleißigen, weissagende Prognosen zum „Rückgang des Bruttoinlandsprodukts“ zu wagen, an den Pranger zu stellen. Wie gesagt: man könnte.

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“

Um eines voran zu stellen: Ich will gar nicht alles, was Herr Prost geschrieben hat, zurückweisen. Die Aussage, „selbsternannte“ Deutungshoheiten würden die „dynamische Komponente einer stabilen und kräftigen Volkswirtschaft außer Acht lassen“, wenn diese „Untergangs-Prognosen“ anstellen, ist ja auch nicht grundlegend falsch. Als jemand, der den eingangs beschriebenen Berufsfeldern angehört, muss sich mir bei vielen von Herrn Prosts Behauptungen jedoch der Magen umdrehen – um an der Stelle einmal den entrüsteten, nur schwer zumutbaren Jargon seines Kommentars aufzuschnappen.

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, höre ich bereits die ersten aufgebrachten Stimmen frotzeln. Ich behaupte ja gar nicht, man dürfe nicht sagen, was man will. Was ich sage, sage ich einzig und alleine von der Warte des PR-Beraters aus. Natürlich könnte ich unseren Kunden raten, in der Außenkommunikation eine ähnlich unsachliche Wortwahl wie Herr Prost anzustreben, wirkt diese doch zumindest bodenständig und mitunter hemdsärmelig. Andererseits jedoch – und hierauf fußt mein grundlegender Glaube an textliche Kommunikation – können billige Beleidigungen wie „Einfach mal die Klappe halten“ oder deftige Bezichtigungen der „Scharlatanerie“ nicht kaschieren, dass es Herrn Prost an Argumenten fehlt. Diskreditierende Schmähungen („Depp“, „Hansel“ oder „Schlaumeier“) vermögen es übrigens ebenfalls nicht, seine durchaus zulässige Wut zu bevollmächtigen. Kurzum: Feuer mit Feuer bekämpfen zu wollen, löscht keinen Brand. Schon gar nicht in Krisenzeiten.

PR: Lieber wahrhaftig und lahm als effekthascherisch

Was ich aus vollster Überzeugung raten kann, ist Folgendes: Anstatt – wie zu Beginn dieses Textes beschrieben – grelle Aufmerksamkeit auf Gedeih und Verderb erzwingen zu wollen, sollte etwas weitaus Unspektakuläreres im Fokus externer Unternehmenskommunikation liegen: Wahrheit. Warum das so logisch wie unscheinbar ist, sollte in Zeiten, in denen unzählige Halbwahrheiten und Desinformationen den öffentlichen Diskurs mitbestimmen, auf der Hand liegen. Sicherlich sind nüchternes Kalkül, verifizierte Fakten und ein wenig aufheizender Schreibduktus nicht so sexy wie „Brachialformulierungen mit apokalyptischem Anspruch“ oder wutentbrannte Raserei. Besonnene Kommunikation hingegen, die nicht darum bemüht ist, Haltung von der Pike auf mit Furor zu unterstreichen, hat schlichtweg mehr Ausdauer.

Dass es in unserem öffentlichen Diskurs nichtsdestotrotz und „permanent zu unterschiedlichen […] Meinungen kommen“ kann, liegt in der Natur der Sache. Wer, wenn nicht Herr Prost, hätte nun das legitime Recht, sich aufzuplustern, Mächtigkeit zu demonstrieren und für die regenerativen Kräfte mittelständischer Unternehmen zu werben? In diesem Gebiet ist er ja nicht nur Zeuge und Impulsgeber, sondern gleichermaßen Experte. Mein Kollege Marco Petracca hat dies gestern Nachmittag präzise auf den Punkt gebracht: „Dass Herr Prost jetzt so laut und deutlich wird, ist ein spezielles Zeichen – weil er eben in einer per se kriselnden Branche agiert und da schon seit Jahren beweist, dass sich der Mittelstand nicht von Politik, Automobilkonzernen und Weltwirtschaftsdröhnen abhängig machen muss.“ Warum ich nun also einen Text in die Runde werfe, der Herrn Prosts Krisenkommunikation ins Visier nimmt, liegt auch daran, dass ebenso viele unserer Kunden mit Erfindergeist, Innovationsdrang und ambitionierter Hartnäckigkeit das viel zitierte Rückgrat unserer Wirtschaft auf den Beinen halten – und das im Übrigen ohne dabei irrationaler Aufgebrachtheit zu viel Raum zu geben.

Milchmädchen bringen einem nicht das Rechnen bei

Herr Prost tut dennoch aus berechtigten Gründen gut daran, die „[m]enschliche Schaffenskraft“ in den Vordergrund zu rücken, führt diese doch überhaupt erst dazu, dass unsere Wirtschaftsketten – vom Kioskbesitzer bis hin zum Großunternehmer – aus volksökonomischer Sicht auch im untertourigen Produktionsmodus handlungs- und funktionsfähig bleiben. An der Stelle ist es dann auch kaum Bauchpinselei, ein ernst gemeintes „Danke!“ an Herrn Prost auszusprechen. Und doch darf aus öffentlich-kommunikativer Sicht nicht unerwähnt bleiben, dass Trugschlussrechnungen wie „Wer sagt denn, dass die Menschen nach ihrer Zwangswegsperrung nicht doppelt Bock auf Konsum, auf Restaurants, Cafés, Kino, neue Autos und Urlaub haben?“ nicht weniger als lancierte Fehlannahmen sind, die unter dem Deckmantel einer potenten Selbstinszenierung die Realität verwässern.

Wenn obendrein von „unfundiert[en] Prognosen“ die Rede ist, stattdessen jedoch die eigenen Handlungsmaximen aufs „[M]achen“ gelenkt werden, so frage ich mich: Dieses Machen, Herr Prost, wie sieht das konkret aus? Noch mal: Ich will nicht behaupten, Sie lägen grundlegend daneben mit dem, was Sie sagen. Übertreibungen, nach denen „spezialwissende Oberexperten den vollständigen oder teilweisen Untergang des Abendlandes vorhersagen“ sind mir als faktenversessener Berater für langlebige Öffentlichkeitsarbeit jedoch fremd, ein Stück weit kommen sie mir sogar maßlos vor.

Sprache und PR sind sensibel – und somit keine Allerweltsinstrumente

Dieser Eindruck wird übrigens nur noch stärker, wenn ich lesen muss, dass wirklich „[j]eder Depp“ darüber Bescheid weiß, „dass Wirtschaft sehr viel mit Psychologie zu tun hat.“ Als Kommunikationsmanager besteht ebenso ein integraler Bestandteil meiner Arbeit darin, Firmen als Marken spürbar, Nachfragen als Bedürfnisse sichtbar und zeitweiliges Krisenmanagement glaubhaft nachvollziehbar zu machen. Wenn Herr Prost nun meint, dass „die Leute aufhören zu konsumieren und folglich die Firmen nicht mehr investieren“, ist das schlichtweg an den Haaren herbei gezogen. Dass wir als gesellschaftliches Kollektiv gerade weniger konsumieren, liegt einzig daran, dass es nun mal notwendig ist, in der momentanen Situation weniger zu konsumieren.

Denn in Zeiten von Corona weniger zu konsumieren, bedeutet auch fürsorglichen, unbestreitbar lebenserhaltenden Auflagen Folge zu leisten. Dies geht nun mal nicht ohne Einschnitte. Kontakteinschränkungen, die die Nachfrage in geradezu jeder Branche sinken lassen, zu unterbrochenen Lieferketten führen und letztlich darum bemüht sind, ein ohnehin marodes Gesundheitssystem nicht zu überlasten, sollten von jeder Wirtschaft der Welt ernst genommen werden. Die Argumentation von Herrn Prost lässt in dem Zusammenhang leider etwas anderes vermuten. Begriffsentfremdungen wie „Zwangswegsperrung“ lesen sich in dem Zusammenhang als herber Schlag ins Gesicht eines jeden, der durch Einhaltung der selbstauferlegten Isolation dazu beiträgt, Infektionsketten zu unterbrechen und damit Leben zu retten. Um es kürzer zu sagen: Wer sich kümmert, unterliegt sicherlich keinem Zwang.

Dass Herr Prost mitunter aber auch zu unbestreitbaren und optimistischen Schlüssen gelangt, z.B. dass „ganz neue Technologien, neue Arbeitsweisen […] nach dieser Krise […] für neuen Schwung sorgen“, ist versöhnlich. Als Krisen- und Kommunikationsbegleiter im Business-to-Business entgehen natürlich auch mir nicht die regenerativen Kräfte des grundsätzlich sattelfesten Mittelstands. Festhalten müssen wir dennoch, dass es mehr als berechtigt sein sollte, das schonungslose Ausmaß der Coronakrise beim Namen zu nennen – Wahrheit kann ja schließlich nicht schaden.