Frauen-Power gegen Fachkräftemangel?

Wie gelingt es Unternehmen in Südwestfalen, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und nachhaltig zu binden?

Der Fachkräftemangel ist längst bundesweit spürbar. Und er macht auch, oder gerade, vor der Region Südwestfalen keinen Halt. Die Region gilt heute als industrielles Herzstück von Nordrhein-Westfalen und als bedeutender Wachstumsmotor. Doch die demographische Entwicklung stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Es ist an der Zeit zu handeln, damit dem Motor in Zukunft nicht der wichtigste Treibstoff ausgeht – die Fachkräfte.

Auftaktveranstaltung Unternehmensgespräche

Um Ansätze und Ideen zur Fachkräftesicherung in Südwestfalen zu diskutieren, trafen sich jetzt erstmals interessierte Unternehmensvertreterinnen und Unternehmensvertreter bei der „Auftaktveranstaltung Unternehmensgespräche“ des Kompetenzzentrums Siegen-Wittgenstein. Gastgeber der Veranstaltung war die Firma GEORG in Kreuztal. Und in der Expertenrunde diskutierten Thomas Kleb (Heinrich Georg Maschinenfabrik), Dr. Thorsten Doublet (AGV Siegen-Wittgenstein), Helmut Hofmann (AGV Siegen-Wittgenstein), Stefan Jäger (IHK & bbz), Sabine Bechheim (IHK & bbz), Stefan Köhler (PSV Marketing), Jasmin Delfino (IG Metall), Jürgen Haßler (Kreishandwerkerschaft) und Moderator Guido Müller (PSV Marketing).

Unternehmensgespräche

„Frauen sind ein Schatz, der geborgen werden muss“

In diesem Punkt waren sich die Diskussionsteilnehmer einig: Das Potenzial von Frauen in der Region muss stärker genutzt werden. Doch wie gelingt es Unternehmen, dieses ‚verschenkte‘ Potenzial dauerhaft zu aktivieren, wollte Moderator Guido Müller von der Talkrunde wissen. Es sei wichtig, nachhaltige Strategien zu entwickeln, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärker zu fördern, erklärten die Experten.

Mit konkreten Maßnahmen, wie flexibleren Arbeitszeitmodellen, der Sicherung von Betreuungsangeboten und guten Möglichkeiten für den Wiedereinstieg, können Unternehmen Frauen bei dem Balanceakt zwischen Familie und Beruf aktiv unterstützen. Aber auch für männliche Arbeitnehmer spielen familienfreundliche Rahmenbedingungen heute eine wichtige Rolle. Immer mehr männliche Akademiker fragen in Bewerbungsgesprächen konkret nach Möglichkeiten für die eigene Elternzeit.

Darüber hinaus sei es eine wichtige Aufgabe, den Blick von jungen Frauen für Berufe aus dem gewerblich-technischen Bereich, dem MINT-Bereich, zu öffnen. Immerhin ist Siegen die drittgrößte Industrieregion in Deutschland. Die MINT-Berufe sind nach wie vor eine Männerdomäne. Erste Lösungsansätze waren, dass Unternehmen  jungen Frauen bei ihren Interessen packen müssen, um sie für technische Berufe zu begeistern. Anstatt über komplexe, technische Vorzüge der Maschinen zu sprechen, sollten sie viel stärker Möglichkeiten für kreatives Arbeiten und gute Teamarbeit aufzeigen. Für die meisten Frauen, aber auch für Männer, sind bei der Arbeitgeberwahl das Betriebsklima und der ‚Wohlfühl-Faktor‘ im Unternehmen entscheidend.

Wertschätzung steigern

Die Zahlen sind alarmierend: Bis 2020 wird es rund 25 % weniger Schulabgänger in der Region geben. Der demographische Hammer wird uns früher oder später treffen. Zudem wurde in der Talkrunde festgestellt, dass sich erschwerend auch der „Akademisierungswahn“ auf die Suche nach qualifizierten Auszubildenden auswirke. Das Image und die Wertschätzung der Industrie- und Handwerksberufe muss gestärkt werden. Mittelständische Unternehmen profitieren auch von der Ausbildung dualer Studenten, um langfristig anspruchsvolle Führungspositionen zu besetzen und Fachkräfte zu sichern.

Darüber hinaus ist die gezielte Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter ein wichtiges Instrument, um Fachkräftemangel abzubauen. Denn neben der Gewinnung von Fachkräften, ist die Bindung der eigenen Mitarbeiter wichtig. Durch Fort- oder Weiterbildungen werden die Kompetenzen der Mitarbeiter geschult, Perspektiven aufgezeigt und somit auch die Attraktivität als Arbeitgeber gesteigert.

„Ein starkes Gefühl nach außen tragen“

„Jede Marke ist eine Markierung, ein Wegweiser und ein Versprechen an die jeweilige Zielgruppe, das Vertrauen schafft. Dies gilt auch für die Arbeitgeber-Marke“, erklärte Stefan Köhler von PSV Marketing und zeigte, dass der Begriff der Arbeitgeber-Marke gar nicht so sperrig ist, wie er vielleicht erscheint. Gerade im Wettbewerb um Fachkräfte, bringt eine starke Marke für Unternehmen oftmals den entscheidenden Vorteil. Denn auch wenn sich in Südwestfalen viele „Hidden Champions“ tummeln – verstecken müssen sich unsere Unternehmen im überregionalen Wettbewerb sicher nicht. „Es geht vor allem auch darum, ein authentisches Gefühl für die Region zu entwickeln. Die Menschen hier vor Ort müssen doch selbst erst einmal die Gemeinschaft leben und vorleben, damit das mit ganzer Kraft über die Grenzen hinaus wirken kann“, betonte Köhler abschließend.

Die nächsten „Unternehmensgespräche“ mit spannenden Diskussionsthemen finden im März 2015 statt.