… reif für die Insel?

Unser weltweit einzigartiges Gütesiegel „Made in Germany“ ist eine Idee aus Großbritannien. Im 19. Jahrhundert als Stigma für günstige deutsche Kopien britischer Produkte wie Messer, Scheren und Feilen erdacht, wurde daraus eine Erfolgsgeschichte.

Denn mit der industriellen Revolution überholte die Qualität deutscher Produkte den britischen Standard. Bis heute steht die Marke „Made in Germany“ für Spitzentechnologie- und produkte, die weltweit ihresgleichen suchen. Doch jetzt hat das Gütesiegel durch die VW-Affäre an Stahlkraft eingebüßt. Als Antwort auf die Betrugs-Krise kam von Herrn Winterkorn nur eine vom Teleprompter abgelesene steife Botschaft, mit einer nicht unbedingt authentisch wirkenden Entschuldigung. Die Konsequenzen sind bekannt. Winterkorn musste gehen, Porsche-Chef Matthias Müller rückt an die Spitze in Wolfsburg mit einer Mammut-Aufgabe vor der Brust.

Denn was bleibt, ist ein ramponiertes Image der Dachmarke VW. Und „Made in Germany“ hat eine Delle mit abbekommen. Wie VW weiter in der Affäre agiert, bleibt abzuwarten. Was der Mittelstand an Kollateralschaden nach dem Crash mitbekommt, ebenso.

Was lässt sich aus dem Vorgang lernen? Der Konzern setzte von Anfang an ungewohnt blauäugig darauf, dass seine Blue-Motion-Manipulation unentdeckt bleibt. Grundsätzlich ein Fall von Betrug. Und in Zeiten der Leak-Trends und einer immer schwerer werdenden Geheimhaltung in Unternehmen und Konzernen ein fataler Fehler. Mit der Aufdeckung drifteten Markenversprechen und kommuniziertes Image eklatant auseinander. Und jetzt diktieren die Medien die Kommunikation, nicht mehr die Marketing- und Presseabteilung von VW.

Mit Selbstbewusstsein statt falschem Stolz

Für den Mittelstand, wo sich das einzelne Unternehmen gerne als Hidden Champion in der Kommunikation zurückhält, scheinbar ein unschlagbares Argument, es auch weiter so zu halten. Denn wenn man nicht kommuniziert, verspricht man nichts – und muss demnach nicht befürchten, ins Zentrum des öffentlichen Unmutes zu rücken, wenn mal etwas schief läuft.

psv-whattsapp-made-in-germany-reif-fuer-die-insel_content

Doch diese Interpretation der Dinge hinkt. Denn in Zeiten des globalen Wettbewerbs, des Fachkräftemangels und letztlich auch der Informationsmündigkeit der Zielgruppen, die alles, was sie wissen müssen dank Google & Co. sofort selbst herausfinden kann, macht sich schweigen und wegducken kaum bezahlt. Erst recht nicht, wenn der beschädigte Ruf des Gütesiegels „Made in Germany“ zum durch Vorurteile geprägten Generalverdacht heranwächst. Denn der Volkswagen-Skandal strahlt ja nicht nur auf die Automobilkonzerne und ihre Zulieferer ab, sondern auch auf den Berufsstand des Ingenieurs, dem man in Anbetracht einer Figur wie Winterkorn unterstellen könnte, dass der Werte-Ethos sich per se mehr auf Quantifizierbarkeit und Profitorientierung, als auf Vertrauen, Anstand und Moral beruft.

Der industrielle Mittelstand – und insbesondere die Zulieferer der großen Konzerne – sollte sich das Heft nicht aus der Hand reißen lassen. Sondern genau jetzt auf die tradierten Werte und einmaligen Stärken setzen, die ihn auszeichnen. Die unternehmerische Leidenschaft, der Drang, innovative Spitzenqualität zu entwickeln und zu produzieren, sowie das Streben nach ehrlichen, nachhaltigen partnerschaftlichen Geschäftsbeziehungen sind seit jeher in der DNA dieser Unternehmen verankert – und das ganz ohne Compliance-Richtlinien, Codizes of Conduct, leere Leitlinien oder rein dekorative Markenversprechen.

Deshalb sollte die Industrie gerade jetzt Gegenhalten, in die Vertrauensoffensive gehen und der Öffentlichkeit zeigen, dass Ingenieurskunst nichts mit Gier zu tun hat.

Wahre Stärken und Tugenden jenseits von Produktfeatures und Leistungsdaten zu kommunizieren, bedeutet in hart umkämpften Märkten eine unvergleichbare Präsenz zu zeigen. Deutlicher wahrgenommen zu werden, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen. Und es bringt Vertrauensvorschuss im War for Talents, der für die operative Leistungsfähigkeit der Unternehmenszukunft gewonnen werden muss. Immer wieder aufs Neue.

Made in Germany ist eine Marke des Mittelstands, für die er mit all seinen überzeugenden Werten glaubwürdig einstehen kann – wenn er denn will. Die Chance, unternehmerische Ideale proaktiv zu kommunizieren, sollte sich kein mittelständisches Unternehmen selbst verwehren. Und erst recht in Zeiten, in denen große Konzerne die Glaubwürdigkeit ganzer Branchen beschädigen. Denn gerade in Krisenzeiten lohnt sich Transparenz – auch bei Themen, die vielleicht im ersten Moment nicht wichtig erscheinen. Dann werden Medien, bevor sie etwas veröffentlichen, zunächst auch die Stimme des Unternehmens hören. Und weil ehrlich bekanntlich am längsten währt, wird der Mittelstand immer eine gute Antwort parat haben.