Warum Siegen jetzt eine Markenstrategie braucht!

„Suchet der Stadt Bestes, (…) denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.“

Auch wenn die Bibel kein Leitfaden für Regionalmarketing ist, bringt dieser Vers (Jeremia 29,7) doch etwas Wesentliches für diese Disziplin auf den Punkt: Entscheidend für die Anziehungskraft einer Stadt oder Region ist weniger das Marketing, als vielmehr ihre Lebensqualität. Dass wir uns verstärkt um die Vermarktung der Region und ihrer Vorzüge kümmern müssen, steht außer Frage. Denn wir befinden uns im Wettbewerb um knapper werdende Ressourcen. Demographische Entwicklung, Abwanderung, Personalmangel – all das sind keine Schreckgespenster, sondern bittere Tatsachen, die uns zu schaffen machen. Und wir tun ja auch schon einiges, um die Probleme in den Griff zu bekommen: die Kampagne „Alles echt!“ der Regionalagentur, die Wisent-Welt, der Rothaarsteig, das Projekt „Siegen – Zu neuen Ufern“, der Campus Siegen in der Oberstadt, Existenzgründerprojekte wie Startpunkt57 oder level up – am Image der Region Südwestfalen, des Kreises Siegen-Wittgenstein und des Oberzentrums Siegen wird derzeit geschraubt, was das Zeug hält. Teils mit wirklich beachtenswerten Projekten und Ideen. Wenn es um die Vermarktung der Region und die Attraktivitätssteigerung der Stadt Siegen geht, kann man uns mangelnden Tatendrang wirklich nicht vorwerfen. Wir könnten uns also zurücklehnen und einfach mal darauf hoffen, dass alles gut wird. Oder doch noch mal auf den Bibelvers blicken und uns fragen: Ist denn das, was wir da machen, wirklich „der Stadt Bestes“?

Lassen Sie uns nicht darüber diskutieren, ob die Siegplatte weg oder die Universität ins Stadtzentrum musste. Ich bin der Meinung, dass es da nichts zu diskutieren gibt. Die Stadt Siegen braucht neues Leben, um lebensfähig zu bleiben. Und das bekommt sie jetzt endlich. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das nur Bausteine in einem komplexen Gebilde sind: Das Image unserer Stadt ist mehr als das zukünftig aufgewertete Zentrum. Das Image der Stadt ist die Summe aus Stimmungen, Meinungen, Erfahrungen, Erwartungen.

Und das Image ist nicht zuletzt geprägt durch die Lebensqualität. Es ist entscheidend für die Zukunft, denn nur ein positives Image kann dazu beitragen, dass wir als Stadt zukunftsfähig bleiben – demographisch, kulturell, wirtschaftlich. Was macht also das Image der Stadt Siegen aus? Was denken die Siegener, die ja letztlich Werbeträger ihrer Stadt sind, über Siegen. Wir haben im Sommer 2013 genau diese Fragen im Rahmen einer qualitativen Untersuchung gestellt und interessante Antworten bekommen. Am Rande: Die Erhebung haben wir nicht auf der Straße, sondern im Internet, genauer gesagt bei Facebook gemacht. Nehmen Sie das schon mal als Tipp für Ihre Marketingarbeit mit: Siegen ist in den „sozialen Medien“ extrem präsent, durchaus aktiv und sehr gut erreichbar.

Was also prägt das Image der Stadt Siegen?

Fangen wir mit der Lebensqualität an: Die wird von den „Ur-Siegenern“ hoch bewertet – auf einer Skala von 1 bis 10 am häufigsten mit 8, was fast einem „sehr gut“ entspricht. Erstaunlich ist, dass auch Zugezogene, die weniger oder länger als 4 Jahre in der Stadt leben, die Lebensqualität ähnlich hoch einstufen. Bedenkt man, dass sehr häufig über Siegen geschimpft wird, überrascht dieses Ergebnis durchaus. Andererseits gilt hier vielleicht der sinngemäße Ausspruch, dass die Kritiker einer Stadt meist diejenigen sind, die das innigste Verhältnis zu ihr haben. Die ungestützte Frage, was man an Siegen denn gut findet, beantworteten die meisten Probanden mit Aussagen, die sich um Natur und Kultur, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten und die Überschaubarkeit und Vertrautheit der Stadt drehen. Interessant ist, dass gerade die Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, aber auch der ÖPNV und die Mentalität der Einwohner als größte Störfaktoren angegeben und in den offenen Antworten immer wieder bemängelt wurden. Überhaupt: Wenn den Siegener etwas stört, dann der unzureichende Nahverkehr und die mangelnde Vielfalt in der Gastronomie. Konkrete positive Faktoren wurden in diesen beiden Fragestellungen nicht benannt.

Die Universität, das Obere Schloss, unsere Museen und Theater, das Krönchen oder etwa die Sieg tauchen im Image kaum auf, was schade ist, wenn man bedenkt, dass sich Städte durch solche Landmarken und Institutionen durchaus definieren können und müssen. Aus den insgesamt 6 Fragen zum Image und zur Lebensqualität der Stadt konnten wir schlussendlich herausarbeiten, wofür die Stadt Siegen aus Sicht ihrer Einwohner derzeit steht (siehe Abbildung).

Die am häufigsten genannten Adjektive:

Warum Siegen eine Markenstrategie braucht
ruhig, zentral, langweilig, freundlich, grün, laut, schön, ländlich und unfreundlich – so ist Siegen.

Ob das Ergebnis nun gut oder schlecht ist, mögen wir nicht beurteilen – das ist nicht Sinn und Zweck dieser Untersuchung. Dass Siegen jedoch nach wie vor ein Identitätsproblem hat, lässt sich durchaus herauslesen. Denn es fehlt an konkreten Merkmalen, die die Stadt liebens- und lebenswert machen. Welche Merkmale das sein könnten, wäre eine Fragestellung, die man im Zuge einer Markenstrategie für Siegen aufwerfen müsste. Die könnte durchaus dabei helfen, die Treiber und Erfolgsfaktoren der Stadt herauszuarbeiten und in das Stadtmarketing einfließen zu lassen. Apropos Stadtmarketing: Wir haben eine vergleichbare Untersuchung in Köln gemacht und die Imagefaktoren in den Stadtteilen ermittelt, um aus den Überschneidungen ein Markenbild der Stadt zu entwerfen. Zu unserer großen Überraschung wird Köln eben nicht wegen Karneval, Kölsch und Dom geliebt, sondern wegen seines „Dorfcharakters“ (bedingt durch die Verbundenheit zu den „Veedeln“), dem Grün und der Natur (bedingt durch Grüngürtel, Parks und natürlich den Rhein) und der kulturellen und gastronomischen Vielfalt. Gerade die ersten beiden Imagefaktoren sollten unserem Regionalmarketing schwer zu denken geben! Denn wenn ein großes Problem unserer Region die Abwanderung in die nächstgelegene Metropole ist, stellt sich die berechtigte Frage, inwieweit es für uns hilfreich ist, wenn wir für uns mit denselben Standortfaktoren werben, die eine Stadt wie Köln lebenswert machen. Auch hier möchte ich noch mal an unsere Stadtpolitik und den Kreis appellieren: Es wird höchste Zeit über nachhaltige Differenzierung nachzudenken! Nicht nur durch unzählige Einzelmaßnahmen und zeitlich begrenzte Werbekampagnen, sondern durch eine klar durchdachte Markenstrategie. Die nicht auf das setzt, was uns ausmacht, sondern auf das setzt, was unsere Stadt und unsere Region einmalig macht. Suchet der Stadt Bestes!