Warum ein bisschen Stolz gegen Übergangsschmerzen helfen kann.

Es ist immer schwierig, loszulassen. Werte, Traditionen, Gewohnheiten bestimmen den Alltag vieler inhabergeführter Unternehmen.

In einer Zeit, in der der demographische Wandel ein schnelleres Umdenken fordert, die Welt vom digitalen Wandel und der Transformation der Arbeitswelt wöchentlich umgewälzt und alles Alte generell in Frage gestellt wird, fällt die unternehmerische Nachfolgeregelung um ein Vielfaches schwerer. Weil keiner genau weiß, was kommt. Doch der Übergang muss nicht schmerzhaft sein – wenn man weiß wofür man steht. Und stehen will.

„Das haben wir schon immer so gemacht“, ist einer der Sätze, die gerne dann ausgesprochen werden, wenn Alt auf Jung trifft, wenn Inhaberschaft und potenzielle Nachfolge in Meinungsverschiedenheiten geraten, wenn der dringende Wandel im Unternehmen unbequem drängt. So trotzig dieser Totschlagsatz sein mag, er hat seine Existenzberechtigung. Denn auch wenn in ihm immer ein Beigeschmack von Wandlungsangst mitschwingt, mahnt er zwischen den Zeilen auch, dass man Werte nicht einfach über Bord werfen kann, nur weil der Management-Zeitgeist es gerade fordert. Insbesondere in Szenarien mittelständischer Unternehmensnachfolgen sollte man immer bedenken, wer da an wen den Staffelstab übergibt:

Die Generation, die das in den Kinderschuhen steckende Geschäft meist von der vorangegangenen geerbt und in schwierigen Zeiten mit hochgekrempelten Ärmeln, vielerlei Entbehrungen und ungeahnter Disziplin vom lokal bedeutsamen Betrieb zum weltweit geschätzten Marktführer hochgezogen hat, übergibt in der Regel an einen Nachwuchs, der bis auf ein Studium keinerlei Meriten aufzuweisen hat – sich aber aus Gründer-Perspektive jetzt schon anmaßt, das Geschäft besser zu verstehen.

Das ist natürlich überspitzt dargestellt. Denn niemand will dem Unternehmensnachwuchs absprechen, die elterliche Firma nicht mit wertschätzenden Absichten weiter führen zu wollen. Zumal in den meisten Fällen ja auch viel von der vorangegangenen Generation gelernt und von Haus aus mitgegeben wurde. Aber es geht bei „Das haben wir schon immer so gemacht“, bei allen Trotzigkeiten, die das Thema Nachfolge begleiten, immer auch ein bisschen um Verlustangst. Angst, mühsam aufgebaute Werte durch Unbedachtsamkeit zu verlieren. Und ich meine hier nicht nur die materiellen, sondern vor allem die weniger greifbaren. Die unausgesprochenen Werte. Die lassen sich auch mit akademischer Ausbildung nicht unbedingt weitervermitteln. Zumal sie meist nicht konkret greifbar sind. Die Leidenschaft, den Idealismus und den Willen, mit denen der altehrwürdige Gründer eines Maschinenbauunternehmens nach dem zweiten Weltkrieg angefangen hat, nun ja, Maschinen zu bauen, technische Meisterwerke, die damals sicherlich einen anderen übergeordneten Zweck erfüllten als heute (Stichwort Wiederaufbau, Wirtschaftswachstum etc.), sind heute vordergründig kaum kompatibel zu einer Welt, die irgendwo zwischen Lean Management und Social Media hetzt und den Mann an der Maschine über kurz oder lang durch Software ersetzen will. Und wird. Demnach geht es bei dieser Angst, die Firma einem neuen Denken zu überlassen, eben auch nicht nur um Verlust.

Sondern um Auslöschung. „Früher sind wir noch selbst zum Kunden gefahren, wenn es ein Problem gab, und haben das auch selbst in die Hand genommen“. Heute reden wir von Prozessen, von Service Design, von Chatbots, die die höchste menschliche Ambition, sein Bestes geben zu wollen, unbehelligt kopieren – um eine Illusion eben jener Menschlichkeit, eben jenes Eifers zu erzeugen, der die meisten Firmen erst groß gemacht hat. Wer will unter diesen Gesichtspunkten schon gerne das Zepter abgeben und die Traditionen, die hart erarbeiteten Werte, die gelebte Haltung einer Generation überlassen, die zumindest gefühlt mehr Berührungspunkte mit dem Smartphone als mit dem geschätzten Kunden hat? Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch: Ich bin für die Digitalisierung. Ich bin dafür, besser das Alte als das Neue zu hinterfragen. Und ich bin der Meinung, dass Wandel, oder vielmehr Transformation nicht nur etwas Notwendiges, sondern etwas Gutes ist. Ich glaube aber, dass ein Wandel nur dann gut gelingen kann, wenn das, was in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hat, in die Zukunft transponiert wird.

Ich meine damit nicht die Prozesse, die Produkte oder die Geschäftsmodelle, sondern generell die Haltung, die dazu geführt hat, dass sich viele Unternehmen heute mit Erfolgsgeschichten rühmen können. Diese Erfolgsgeschichten sind das, was unseren Mittelstand bis jetzt stark und einmalig gemacht hat. Es wäre töricht, dieses Alleinstellungsmerkmal der Digitalisierung zu opfern. Insofern sollte der Prozess Unternehmensnachfolge ein konstruktiver Übergang sein, in dem nicht nur die Geschäfte geregelt sind. Sondern in dem gemeinsam erarbeitet wird, welche Werte, Eigenheiten, welche Haltung dazu geführt hat, dass man heute als Unternehmen einen guten Ruf hat. Diese konkretisieren und dann auf die Gegenwart und Zukunft zu übertragen, beziehungsweise generationsübergreifend Zukunft spürbar und erlebbar werden, kann der Schlüssel für ein Fortschreiben der Erfolgsgeschichten unseres Mittelstands sein. Und nicht nur das. Ich glaube, dass wir in den Werten und Erfolgstreibern unseres Mittelstandes einen unfassbar großen Wettbewerbsvorteil haben, insbesondere in Zeiten der Globalisierung. Denn dem Maschinenbauer, der auch in Zeiten der Digitalisierung mit seinem guten Namen und mit persönlichem Engagement für ein herausragendes Produkt einsteht, vertraut man auch in Zukunft eher, als dem multinationalen, meist gesichtslosen Experten für alles. Aus meiner Sicht sollte die Nachfolge im Unternehmen keine momentbezogene Zäsur, sondern eine fließende Evolution gelebter Werte sein. Die sollte man bestenfalls gemeinsam angehen, Hand in Hand, von Generation zu Generation. Nicht von Angst getrieben, sondern vom Stolz, das, was man erreicht hat, für die Zukunft noch besser zu machen.

Ein Kommentar von PSV-Chef Frank Hüttemann in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Unternehmertum Südwestfalen“.