Meine Brille ist nicht Vintage, verdammt die ist Retro! Undercut und Jutebeutel, ich trinke Club Mate, oder gibt’s den Café Latte auch mit Sojamilch? – I like!

„Ich habe da gerade so’n Projekt – super! Noch nichts Konkretes, aber sehr geil. Businessmäßig hab ich mich da noch nicht festgelegt. Irgendwas im Creative-Bereich – Auf jeden Fall!“

Die Band Kraftklub hat es in ihrem Lied „Berlin“ erkannt: das Klischee der Kreativität – nur echt mit Jutebeutel und Nerdbrille. Aber sind es wirklich diese Äußerlichkeiten, die anzeigen, dass man zu den „Kreativen“ gehört? Oder dass man dazu wird, indem man sich entsprechend kleidet?

Ich bin mir da nicht so sicher.

Allerdings bin auch ich auf ein Kreativitätsklischee hereingefallen. Vor Beginn meines achtwöchigen Praktikums bei PSV Marketing habe ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht, was mich erwarten würde. Meine Vorstellung eines typischen Arbeitstages in der Agentur sah ungefähr so aus: Jeden Morgen trifft sich das Team in einem modern-gemütlichen Besprechungsraum mit Whiteboard und Couch im Retro-Look. Beim gemeinsamen „Brainstorming“, am besten mit „Mindmap“, wird dann ein natürlich sehr kreativer, aussagekräftiger Slogan für ein neues Produkt, eine Marke oder die Corporate Identity eines Kunden erarbeitet. Tja, erst jetzt wird mir bewusst, dass diese Vorstellung wohl auch einem Kreativitätsmythos entspringt.

Es reicht offensichtlich nicht, ein paar Ideen zu sammeln und daraus eine Marke und das, wofür sie steht, zu basteln. Es steckt viel mehr Arbeit dahinter. Und genau das wird oft übersehen. Es geht nicht nur darum, kreativ zu sein, indem man ein bisschen „rumspinnt“ oder ein originelles Design entwirft; schließlich sollen am Ende Ergebnisse rauskommen, die nicht nur „schön“ sind, sondern die einen Zweck zu erfüllen haben. Die überzeugen sollen. Und damit in die Strategie passen müssen, die man sich vorher überlegt hat. Kreativität scheint also nicht nur das zu sein, wofür viele Menschen sie fälschlicherweise halten. Aber was ist sie dann?

Ich denke, man kommt der Antwort näher, wenn man sich zunächst die Herkunft des Wortes „Kreativität“ anschaut. Es leitet sich nämlich von dem lateinischen Verb creare ab, das mit „erschaffen“ oder „schöpfen“ übersetzt wird. Der kreative Prozess des Schaffens steht also im Vordergrund. Aber was ist mit dem rationalen Teil – der Analyse, der Strategie? Und was mit dem „handwerklichen“ Teil – also der Umsetzung der Ideen? Hier würde ich eher von „Produktivität“ sprechen. Aber warum? Produktivität bedeutet schließlich ebenfalls „schaffen“ oder „hervorbringen“; wo liegt da der Unterschied zur Kreativität?

Auch hier kann man sich an die Wortherkunft halten: In „Produktivität“ steckt auch das Wort „Produkt“, also „Ergebnis“. Im Gegensatz zur Kreativität ist Produktivität demnach ergebnisorientiert. Um etwas Kreatives zu schaffen braucht man also mehr als nur originelle Ideen.

Damit man sie weiterentwickeln kann, muss man immer auch produktiv sein – und das geht oft einher mit viel Arbeit, Disziplin und Ausdauer. Da nun Produktivität notwendig zur Kreativität gehört, man mit ihr aber eher nüchterne Begriffe wie Ergebnis oder Disziplin verbindet, stellt sich die Frage, woher denn dann diese Kreativitätsklischees kommen, die Kraftklub so schön beschreibt!? Vielleicht liegt es daran, dass der unbequeme Teil der Kreativität, nämlich die Arbeit, gerne in den Hintergrund gedrängt, das Künstlerische dafür aber betont, und Kreativität dadurch verklärt wird. Wer würde schon einen Picasso produktiv nennen? Vielleicht ist eben diese künstlerische Note der Grund dafür, dass gerade die Mode als Ausdrucksmittel für Kreativität dient. Man sollte aber nicht den Fehler machen, Kreativität auf das Äußere zu reduzieren. Wie wir sehen, gehört meist noch viel mehr dazu – auch wenn das für einige dann nicht mehr so „schick“ ist.