Wie sich Marketing und Vertrieb im B2B verändern, wenn die Welt plötzlich still steht.

Sie wollen die Studie ohne Aufsatz drumherum? Kein Ding, hier entlang.

Wer hätte Anfang des Jahres geglaubt, dass die Wirtschaft einen Kinnhaken bekommt, der mehr oder minder zum globalen Knockout führt? Und dass der Hauptgrund für diesen K.O. nicht der US-amerikanische Finanzmarkt-Poker, sondern eine Pandemie sein würde? Oder vielmehr die Tatsache, dass Grenzen dicht sind, Messen ausfallen, Menschen Kontakte meiden und zu Hause bleiben müssen?

Keinen Plan für die Pandemie

Über die sogenannten »Schwarzen Schwäne« – die Macht unvorhergesehener Ereignisse und ihrer Konsequenzen – ist nicht erst seit 9/11 oder der Weltwirtschaftskrise von 2008 philosophiert worden. Dass eine Wirtschaft, die vom Zulieferer x-ten Grades über die verlängerte Werkbank bis zum OEM global zusammenhängt und trotz aller Stärke auch fragil ist, hätte uns durchaus bewusster sein können. Eine Pandemie war nie wirklich unwahrscheinlich. Für eine vom industriellen Mittelstand getragene Export-Nation, die unzählige Weltmarktführer beheimatet, ist das, was gerade passiert, insofern ein Super-GAU. Nicht nur, weil alles still steht, sondern vor allem weil unsere Parade-Unternehmen durch ihre wahrende Kontinuität, das detailversessene Abwägen von Chancen und Risiken sowie das starre Festhalten an alten Erfolgsmodellen groß geworden ist.

Corona offenbart das konservative Denken als unternehmerische Achillesferse. „Das kann man nicht ändern, das haben wir schon immer so gemacht!“, verliert als Mantra des Mittelstandes seine Gültigkeit. Das Virus zwingt uns zur Veränderung, zum Umdenken. Und das ist durchaus positiv. Denn auch wenn B2B-Unternehmen oft stoisch sind, ruht ihr Erfolg meist ebenso auf Einfallsreichtum, Mut, Enthusiasmus – Eigenschaften, die immer dann zum Tragen kommen, wenn akute Probleme gelöst werden müssen.

Digitalisierung? Na endlich!

Es ist insofern spannend und irgendwie auch beruhigend zu sehen, wie schnell zum Beispiel die Digitalisierung Einzug hält, wenn es eben nicht mehr anders geht. Man erinnere sich bitte noch an das Berater-getriebene Rumgeunke, wie undigital doch der deutsche Mittelstand sei. Das oftmals heraufbeschworene Apokalypse-Szenario der weltweit abgehängten, undigitalisierbaren Industrie-Dinosaurier haben unsere B2Bler mithin ausgesessen. Frei nach dem Motto: „Was juckt’s die Eiche, wenn die Sau sich an ihr kratzt?“ Jetzt, wo die Digitalisierung in Werk und Work unverzichtbar ist, geht’s plötzlich. Remote-Arbeitsplätze, KI-Integration, Meetings ohne Reise, datenbasierte Entscheidungen – all das wächst unter dem Zwang, unter starken politischen und gesellschaftlichen Einschränkungen weiter arbeiten, weiter entscheiden zu müssen. Was erfreulich ist.

Digital arbeiten? Kein Ding. Digital begeistern? Au Backe.

Die Zwangsdigitalisierung bleibt jedoch nicht ohne Nebenwirkungen. Denn auch wenn sich viele Prozesse digital abbilden und kompensieren lassen, fällt insbesondere im B2B der für die Geschäftsbeziehung wesentlichste Faktor weg: der persönliche Draht zum Kunden. 

B2B ist eine Welt, in der Messen beispielsweise nicht nur Leistungsschauen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Kontaktbörsen und ganzheitliche Markenberührungspunkte sind. Vertrauen und Sympathie sind seit jeher das Schmiermittel für die Vermarktung und den Vertrieb erklärungsbedürftiger Produkte und Leistungen. Der Kompetenzbeweis braucht die Wirklichkeit des Kundentermins vor Ort. Den Kaffee zwischen Anbieter und Entscheider kann man nicht virtualisieren – so der Glaube im B2B.

Marketing und Vertrieb unter Zugzwang.

Ob es ein Irrglaube ist, wird die Zeit zeigen. Dass wir uns den Bedingungen jedoch anpassen müssen, ist keine Frage der Zeit. Insbesondere Marketing und Vertrieb stehen nicht nur mit Blick auf ausfallende Messen und Termine und drastischen Budgetkürzungen unter dem Druck, auf neuem Wege Kunden zu erreichen. Und zu überzeugen. Wie das mit Blick auf den »Schwarzen Schwan« namens Corona, die eher konservative Ausrichtung vieler Mittelständler und den Wegfall von physischen Kontakten gehen soll, ist die Frage, die wir zwischen Mai und Juni 2020 insgesamt 61 B2B-Entscheidern gestellt haben. Die Ergebnisse sind wenig verblüffend. Sie werfen allerdings neue Fragen auf.

Was Corona im B2B-Marketing verändert: Die drei wichtigsten Erkenntnisse.

1. Online-Marketing wird Teil der Unternehmensstrategie

Gefühlt war Online-Marketing für viele deutsche B2B-Unternehmen bisher keine priorisierte Option, sondern eher eine von vielen Möglichkeiten, präsent zu sein. Auch wenn SEO, SEM und Content für Mittelständler keine Fremdworte mehr sind, war Online jedoch bisher kein strategisch genutzter Kanal für Marketing und Vertrieb, sondern eher ein Weg, Interessenten zusätzliche Informationen bereit zu stellen. Das ändert sich jetzt: 43 % der befragten Unternehmen wollen ihre Aktivitäten im Online-Bereich verstärken und sich dort strategisch aufstellen, fast 2/3 denken u.a. über neue Konzepte zur Informationsvermittlung und Content-Distribution statt. Was sich mit unserer aktuellen Erfahrung und den jüngsten Anfragen an unser Marketing- und Digital-Team deckt. Wie man im B2B Online-Leads gewinnt, qualifiziert und begeistert, ist derzeit die große Herausforderung. Dass dabei nicht nur Owned Media, also das Bespielen der eigenen Kanäle in den Vordergrund rückt, zeigen die steigenden Zuwachszahlen im B2B-Netzwerk LinkedIn und in Portalen wie Europages. 

2. Stichwort Herausforderung: Beziehungsaufbau ist das Thema!

Grundsätzlich verschiebt sich die Marketing-Denke im B2B weg von der Produkt-Propaganda hin zur Beziehungspflege. Fast 2/3 der befragten Unternehmen sehen die größten Herausforderungen darin, für neue Kunden über Online-Maßnahmen, Social Media und gänzlich neue Marketing-Wege sichtbar und erreichbar zu sei – und über genau diese Kanäle die Beziehung zum Kunden aufzubauen und zu pflegen. Dass es dazu auch Inhalte braucht, die nicht nur prägnant, sondern tatsächlich relevant für den Kunden sind, ist die ungleich größere Herausforderung. Denn zu wissen, was für Kunden wichtig ist, setzt ein aktives Auseinandersetzen mit ihren akuten und übergeordneten Problemstellungen voraus. Und die dürften mit Blick auf die Corona-Krise, den Fachkräfte- und Ressourcenmangel, sämtlichen Einsparungen und allgemeiner Unsicherheit anders gelagert sein, als man vermutet.

3. Ersatz für Messe? Ja, aber…

Überraschend und doch logisch: 44 % der befragten Unternehmen nutzen die frei gewordenen Messebudgets nicht für alternative Maßnahmen. Knapp die Hälfte dieser Firmen spart fürs nächste Jahr, die andere Hälfte hält das Budget ganz zurück – was in Anbetracht unsicherer Zeiten nachvollziehbar ist. Positiv: Fast 40 % verlagern das Budget für Marketing und Vertrieb, und versuchen damit, Messen zu kompensieren. Allerdings nicht wie vermutet durch neue Formate wie beispielsweise virtuelle Messen. Stattdessen liegt der Fokus auf alternativen Optionen wie Social Media (21 %), Direct-Marketing über E-Mails und Newsletter sowie den virtuellen Vertrieb.

Unser Resümee? Neue Kanäle machen nur dann Sinn, wenn man die Nutzer versteht.

Natürlich hat diese Untersuchung keinen wissenschaftlichen Anspruch. Sie ist vielmehr eine Momentaufnahme, die zeigen soll, wo im B2B mit Blick auf Corona der Schuh drückt. Die Ergebnisse offenbaren, dass eine längst überfällige Reform des B2B-Marketings endlich stattfindet. Der Online-Zugang zum Kunden wird Teil der Unternehmensstrategie, zumindest in den Branchen, in denen es Sinn macht.

Damit geht jedoch einher, dass man sich stärker als bisher mit den tatsächlichen Bedürfnissen und Herausforderungen seiner Kunden auseinandersetzt. Denn anders als auf Messen suchen Kunden nicht nur nach Produkten, die das Problem eventuell lösen könnten. Sie suchen nach konkreten Lösungen für ihr spezifisches Problem, nach Erfolgsbeispielen, nach How Tos – ganz gleich, ob wir hier von Investitionsgütern oder Dienstleistungen sprechen.

Die Kunden in ihrer Berufswirklichkeit abzuholen, setzt die Optimierung von Leistung und Kommunikation voraus. Was insbesondere bei erklärungsbedürftigen Angeboten ungleich schwieriger sein kann. Denn wie will man in Anbetracht unterschiedlicher, teils unpersönlich bespielter Kanäle und Medien nicht nur prägnant, sondern auch relevant sein, wenn man den Kunden bisher nur vor Ort von Nutzen und Mehrwert überzeugen konnte?

Aus unserer Sicht ist nun die enge Zusammenarbeit von Marketing, Vertrieb und Produktmanagement wichtiger denn je. Denn wenn der direkte Zugang zum Kunden über den Vertrieb nicht mehr möglich ist, muss ein vertriebs- und produktorientiertes Marketing neue Zugänge legen. Diese findet der Kunde nur dann, wenn die Informationen mit Blick auf seine aktuelle und zukünftige Situation wirklich relevant sind.

Die Frage für das Post-Corona-Marketing darf heute dementsprechend nicht mehr sein, wo man seine Produkte und Leistungen abbildet, damit der Kunde darauf stößt. Die Frage muss sein, ob das, was er wirklich sucht, auch tatsächlich angeboten wird! Eine relevante Positionierung von Unternehmen und Produkt bzw. Leistung ist demnach wichtiger denn je, wenn man eben nicht nur sichtbar sein, sondern tatsächlich gefunden werden will. Diese Positionierung kann nur wirken, wenn man seine Kunden besser versteht – und die Krise vielleicht auch dazu nutzt, das, was den Kunden wirklich beschäftigt, als Grundlage des Geschäftsmodells zu betrachten, anstatt weiterhin das zu tun, „was wir ja schon immer so gemacht haben.“

Das PDF zur Studie mit allen Ergebnissen können Sie hier kostenlos herunter laden.